Montag, 9. Juni 2014

Ein Freund, ein guter Freund..

Twinni war die Freundschaftsanfrage meiner Kindheit
#eisbrecher

Wer von uns könnte schon ohne den Sandkastenfreund, die Banknachbarin aus vergangenen Schulzeiten oder die Freundin, die als Schwesternersatz zählt? Vermutlich niemand. Aber auch unsere Freundschaften gehen mit dem Zeitgeist. Kann ein Like-Button mit einer klassischen Sandkastenbruderschaft mithalten?


Gute Freunde sind wichtig. Sie sind die Straßenverkehrsordnung in meinem Leben. Sagen Stop wenn ich zu weit gehe, schützen mich vor schmerzhaften Kollisionen und warnen vor Sackgassen. Ist eigentlich ganz simpel. Aber mein System wird gerade auf den Kopf gestellt: Von zu vielen Freundschaftsanfragen, Like-Buttons und Follower-Fluten. „Networking“ nennt das der moderne Medienfuzzi. Selbstverständlich muss man da mitziehen, 400 digitale Freunde sind noch lange nicht genug. Als ich noch grün hinter den Ohren war, sahen Freundschaftsanfragen ganz anders aus. Derjenige, der mir die orangefarbene Seite seines Twinnis überließ, gehörte zu meiner Straßenverkehrsordnung. Damit war die Sache geritzt und einige Twinni-Freundschaften sorgen auch jetzt noch für Ordnung in meinem Leben. Nicht vergleichbar mit den „Freunden“, die ich heute via Mausklick in meinen Alltag integrieren, aber genauso schnell wieder daraus entfernen kann. 

Türklingel? Überflüssig


Zeitzeugen haben mir berichtet, dass man früher tatsächlich einfach mal zu Freunden ging und an der Haustür klingelte. Ohne Einladung, ohne Online-Veranstaltung, ohne vorher alles per unzähliger WhatsApp-Nachrichten abzuklären, um auch ja nicht ungelegen zu kommen. Man kam, unterhielt sich, trank Kaffee und ging wieder. Heute müsste ich schon ein Foto mit Personenverlinkung posten, denn was Facebook nicht weiß, kann doch gar nie passiert sein. Oder? Die Versuchung, sein ganzes Leben und damit auch seine Freundschaften auf Nichts sagende Domains zu verlagern, ist groß. Weil die Welt in Pixel viel einfacher ist als die Realität.

Home is, where your phone is


Aber nicht alles an der Bildschirm-Wirklichkeit ist schlecht, ich bin der Technik sogar sehr dankbar. Durch sie fühlt es sich an, als hätte ich immer einen Fuß in meiner Heimat, egal wo ich gerade bin. Meine beste Freundin hat den Liveticker meines Alltags abonniert, meine Mama kann mich durch die Webcam mustern und mir regelmäßig an den Kopf werfen, dass ich so nicht aus dem Haus gehen soll. Trotz hunderter Kilometer Entfernung. Das alles würde mir fehlen, hätte nicht jemand das Internet hergezaubert. Allein deswegen kann ich mir nicht vorstellen, auf meine elektronischen Begleiter zu verzichten. Stattdessen versuche ich, die Einzelteile meiner weit verstreuten Straßenverkehrsordnung durch Facebook zusammenzuhalten. Funktioniert ganz gut bisher, aus einem bestimmten Grund: Twinni gibt es auch in Pixel.


9 Kommentare:

  1. Schade, dass es so ein Twinni nicht in Deutschland gibt. Das würde doch das Kontakteknüpfen um einiges leichter machen. Wunderbarer & ehrlicher Text direkt aus dem Leben! I like! :)

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  2. Super geschrieben! Ich habe deinen Text sehr gerne gelesen, da ich mich selbst wieder erkenne. Das Beste an unserer Generation ist doch, dass wir noch beides kennen - offline und online - und genau diesen Mix möchte ich mir auch in Zukunft bewahren :-).

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  3. Finde diesen Text gut geschrieben. Und: Obwohl ich zur Generation der Nicht-Digital-Natives gehöre, sehe ich sehr wohl die Vorteile des Netzes. Zum Beispiel bei meiner Tochter. Sie hat dieses Jahr mitten im Schuljahr die Schule gewechselt. Jetzt ist sie dank Whatsapp noch in den sozialen Netzwerken der alten Schule und nach dem ersten Schultag in der neuen Klasse war sie auch schon in das soziale Netzwerk der neuen Schule intergriert. Das hat ihr den Übergang von der einen in die andere Schule wesentlich erleichtert. Finde ich gut.

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  4. Sehr lustig geschrieben! :)
    Mittlerweile ist es wirklich so, dass man nicht mal eben schnell bei der Freundin um die Ecke klingelt, außer man hat sich Tage vorher ausführlich über ein Treffen per zahlreichen Whatsapp Nachrichten oder im Facebook-Chat unterhalten. Die Spontanität ist durch die Social Media Kanäle ein Stück weitverloren gegangen. Hat aber dennoch seine Vorteile, da man schneller kommunizieren kann und auch ohne ein Treffen mit der besten Freundin ganz easy vom aktuellen Schwarm mit Bildern berichten kann und sich per Screenshots über seine kurzen Antworten auf die eigenen ausschweifenden Whatsapp-Nachrichten aufregen kann. ;)

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  5. Liebe Elli, ich finde den Text auch hervorragend geschrieben, du hast mich sehr oft zum Schmunzeln gebracht. Vor allem die Idee, die Freundschaften mit dem (bei uns in Österreich sehr beliebten) Twinni-Eis zu vergleichen, finde ich toll. Lg

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  6. Liebe Elli,
    da ich ebenfalls Österreicherin bin kenne ich die beschrieben Twinni-Freundschaften nur zu gut. Selbst ein Fan der grünen Hälfte war ich unter meinen Sandkastenfreunden sehr beliebt :) Ich finde es sehr schade, dass es heutzutage nicht mehr heißt: "Lass uns Freunde sein! Willst du meine Hälfte vom Twinni? Orange mag ich nicht so." So einfach war es damals und so einfach ist es heute, möchte man meinen, wenn man sich anschaut wie schnell der "Freundschaftsanfrage versenden"-Button auf Facebook gedrückt ist. Natürlich haben auch WhatsApp, Facebook & Co so ihre Vorteile und ich möchte diese auch nicht mehr missen, aber eine Twinni-Freundschaft ist und bleibt etwas ganz Besonderes.

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  7. Liebe Elli,

    von Anfang bis Ende ein schön runder Text, in dem ich mich auch selbst sehr gut wiedergefunden habe. Ich musste schon manchmal schmunzeln, weil ich mich bei deinen Beschreibungen bildlich vor meinen Augen gesehen habe. Ich denke das "Schimpfen" auf das Internet ist zwar ab und an gerechtfertigt, aber wie du schon sagtest, es kann niemand mehr ohne.
    Super geschriebener Text!

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  8. Liebe Elli,
    dein Text hat mich wirklich zum Schmunzeln und zum Nachdenken gebracht. Ich kann mich noch genau erinnern, wie mir meine Eltern einmal erzählt haben, wie sie sich früher verabredet haben. Da wurde eine Woche vor dem Treffen eine Uhrzeit und ein Ort ausgemacht. Und dann ist man dort auch erschienen. Spontanes Absagen (meist wegen Unwichtigem) war so nicht möglich und man hat sich auf den anderen viel besser verlassen können.
    Bei meinen Großeltern wurden noch Briefe hin und her geschickt. Total romantisch. Aber wie ist es denn heute? Per Facebook oder Whatsapp wird schnell eine Nachricht versandt. Die Verlässlichkeit lässt eindeutig nach. Ich bin trotzdem eine Verfechterin von Geschriebenen. Ich verdonnere jeden, der im Urlaub ist, mir eine Postkarte zu schreiben.
    Natürlich hat es auch Vorteile - wir sind nicht mehr an Ort und Zeit gebunden, um miteinander zu kommunizieren. Verwandtschaft oder Freunde, die auf der ganzen Welt verteilt sind können schnell virtuell ins Wohnzimmer geholt werden.

    Du hast geschrieben: "Selbstverständlich muss man da mitziehen, 400 digitale Freunde sind noch lange nicht genug." - Da widerspreche ich dir ein wenig. Klar, du hast es überspitzt aber ist es in unserer Generation immer noch so der Fall, dass man so viele "Freunde" wie möglich in Facebook besitzt? Ich beispielsweise habe mittlerweile nur Leute in meiner Liste, die ich auch privat kenne. Es muss ja nicht jeder mitbekommen, was ich so treibe. Irgendwo versucht man sich ja dann doch wieder zu schützen.

    Besonders gut gefallen hat mir der Vergleich mit dem Twinni-Eis!
    Macht weiter so, euer Blog ist gerade für unsere Generation sehr ansprechend und man kann wirklich oft über sich selber lachen.
    So schlimm sind wir ja schließlich gar nicht, wie alle sagen.... :-)


    Liebe Grüße,
    #Nina

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  9. Liebe Beth,

    du sprichst mir aus der Seele! Nur zu gut kann ich all das verstehen, wovon du sprichst. Die gute alte Twinni-Zeit ist bei mir aber noch nicht ganz passé.
    Ob man´s glaubt oder nicht, meine beste Freundin in Österreich besitzt kein Smartphone. Ich kann sie zwar telefonisch erreichen, aber naja, wer telefoniert heutzutage schon noch? Also haben wir einen Deal vereinbart: Jeden zweiten Samstag im Monat treffen wir uns: Im Winter bei ihr zum Tee, im Sommer bei mir zu einem Twinni. Das teilen wir uns dann natürlich, wie in alten Zeiten. Wir Twinni-Fans sollten uns mal alle zusammentun und eine Facebook Gruppe gründen. Ach nee, dann sind wir ja wieder beim Thema. Nun gut.... :D
    Danke für deine tollen Zeilen.
    Liebste Grüße

    Anna

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