Montag, 30. Juni 2014

Vergiss mein nicht

"Unendlich" ist wohl eine Erfindung des Menschen
#zeitfüretwasernstes


Heute muss alles schnell gehen. Frei nach dem Motto „Viel hilft viel“ versuchen wir unseren Alltag mit Aktivitäten vollzustopfen. Minimaler Zeitaufwand, maximaler Erfolg. Auch wenn wir das nicht wahrhaben wollen, wir können nicht alle Bereiche unseres Lebens beschleunigen. Eines braucht nämlich immer Zeit - die Trauer.


Ja, ich trauere. Tut weh, muss aber sein. Wenn jemand stirbt und wir verlassen werden, fühlt sich das immer schrecklich an, egal aus welcher Generation man kommt. Als hätte jemand hunderte Monster in meinem Brustkorb geweckt die jetzt einen Demomarsch Richtung Kopf starten und dort brüllend mit Fackel und Heugabel alles Positive vernichten, was jemals vorhanden war. Und wenn nicht hin und wieder zwei, drei Monster in Form von Worten aus meinem Mund purzeln, habe ich das Gefühl, jeden Moment zu platzen.

Schwarze Freiheit


Früher gab es einen Fahrplan für Trauer, das sagt zumindest meine Oma. Rituale wurden von Generation zu Generation weitergegeben, man hatte ein Protokoll, dem man folgen konnte. Man trauerte so, wie die Eltern und Großeltern es taten, ohne etwas in Frage zu stellen. Egal ob in Form von Kleidung, Gebeten oder Gedenkstätten. Aber unsere Generation würde nicht Y heißen, wenn wir nicht alles hinterfragen würden. So fragen wir uns, warum wir Schwarz tragen sollen. Warum in die Kirche gehen, warum Kerzen anzünden, warum beten? Selten suchen junge Trauernde Unterstützung im Glauben. Wir haben die Freiheit, unseren eigenen Weg zu gehen. Jeder kann für sich selbst entscheiden, wie er mit dem Verlust umgeht. Die einen bleiben mit sich allein, die anderen suchen Hilfe im Freundeskreis, bei Psychologen oder auch im Internet. 

Online-Nostalgie


Trauer im Internet war für mich nie ein Thema. Ich war der Meinung, allein das Wort „Trauer“ hätte genauso wenig in einer Domain verloren, wie meine Oma auf Twitter. Und trotzdem habe ich mich dabei erwischt, wie ich in einem rührseligen Moment heulend vor meinem Laptop saß und mein Facebook-Profilbild änderte. In eine zuckersüße Momentaufnahme mit meinem verstorbenem Opa. Aber ob meine Oma eine virtuelle Gedenkkerze angezündet und mit #RIP getagged hätte? Wohl kaum.



1 Kommentar:

  1. Wow, Elli! Ich bin total gerührt. Ein wirklich toller Text, der beweist, dass Social Media Netzwerke eben keine Seelentröster sind, obwohl jede Menge Menschen darin rumschwirren.

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